Die Wahrheit über die Fütterung von Tischresten

Immer wieder liest und hört man, dass vor der Verfütterung von Tischresten gewarnt wird. Es heißt, das wäre ungesund, nicht artgerecht, schlecht für den Hund. Teils sind die Warnungen so dramatisch, dass man Angst hat, der Hund würde gleich tot umfallen, wenn er ein Stück Brot mit Leberwurst oder eine Kartoffel mit Soße gefressen hat.
Aber stimmt das wirklich? Sind unsere Essensreste schlecht für Hunde?Tischresten Diese Essensreste – auch Tischreste genannt –  sind die Überreste von Herrchens oder Frauchens Mahlzeit. Das was übrig bleibt und sonst wahrscheinlich im Mülleimer landen würde.
Moment mal … die Überreste der menschlichen Ernährung … ist das nicht einer jener Faktoren, welche sich dafür verantwortlich zeichnen sollen, dass der Wolf überhaupt zum Hund wurde?
Ist nicht eine der Theorien, warum der Wolf zum Hund und so zum menschlichen Begleiter wurde, darauf begründet, dass er sich ihm angeschlossen haben soll, wegen dem leichten Nahrungszugang über die Reste der menschlichen Ernährung?
Wie war das mit der Domestizierung des Hundes?
Es ist natürlich nicht ganz leicht, Dinge herauszufinden, die sich vor 10- 20 – 30.000 Jahren zugetragen haben. Neuesten Erkenntnissen zufolge begann die Domestizierung des Hundes vor 19.000 bis 32.000 Jahren. Das war die Zeit der Jäger und Sammler. Die Menschen ernährten sich zu einem Großteil von Fleisch, sowie von Obst und Gemüse (pflanzliche Bestandteile wie z.B. Knollen, Wurzeln, etc.), Fisch, Eiern und Nüssen. Die Bestandteile ihrer Nahrung ähnelten offensichtlich denen der wölfischen Nahrung.
Die Menschen hatten das Feuer schon „gezähmt“ und das Garen von Nahrung war schon lange üblich. Sie wussten schon: Garen kann den Wert der Nahrung erhöhen. Es tötet gefährliche Keime und macht sowohl Fleisch als auch Pflanzenkost verträglicher und für den Organismus besser verwertbar.
Dann kamen die Kohlenhydrate …
Erst vor rund 12.000 Jahren begannen die Menschen, im Zuge der neolithischen Revolution, Nutztiere und Pflanzen zu domestizieren. Sie wurden allmählich sesshaft. Ihre Ernährung veränderte sich und der Anteil an Kohlenhydraten wurde deutlich höher, da sie nun Getreide anbauten.
Die Fähigkeit, Kohlenhydrate zu verwerten, wurde durch diese sich verändernde Ernährung auch für die Menschen erst richtig möglich. Die Amylase im Speichel, welche die Verdauung der Kohlenhydrate im Mund einleitet, ist eine recht späte Errungenschaft dieser Veränderungen in der Ernährung.
Das ist insofern interessant, da man bei Hunden ja immer wieder darauf hinweist, sie bräuchten keine Kohlenhydrate in ihrer Ernährung und die Möglichkeit der Verwertung wäre ja eh nur einer Anpassung zu verdanken. Dabei haben auch bei den Menschen ähnliche Anpassungen stattgefunden, diese Anpassungen sind also eigentlich gar nicht so besonders.
Auch die Laktosetoleranz, die nicht alle Menschen auf der Welt haben, ist nichts anderes, als eine solche Anpassung an die Ernährungsgewohnheiten. Sie entwickelte sich vorrangig dort, wo die Haltung von Milchvieh sich etablierte und spielte für die Menschen wohl oft eine Rolle dabei, um z.B. harte Wintermonate mithilfe sehr nährstoffreicher Milch vom Vieh zu überleben.
Die Tatsache, dass bei Hunden die Amylase zur Verwertung von Kohlenhydraten zur Verfügung steht, zeigt also auch, dass die Hunde als Partner der Menschen sich ebenfalls an die dem Menschen zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel angepasst haben. Tatsächlich gibt es sogar immer mehr Hunde, die auch als ausgewachsene Tiere Laktose tolerieren.
Eine einfache Möglichkeit der Nahrungsbeschaffung?
Vor allem für die erste Zeit der Domestizierung muss man sich die Frage stellen, was sonst soll die Hunde dazu veranlasst haben, die Nähe zu den Menschen so zu akzeptieren oder gar zu suchen? Man kann sicher davon ausgehen, dass Nahrungsmittel immer eine große Rolle gespielt haben.
Man kann weiter davon ausgehen, dass die Beschaffung von Nahrungsmitteln für die Menschen eine ausgesprochen schwierige Angelegenheit war und dass sie diese Mühen nicht zusätzlich für den Hund auf sich genommen haben. Es macht also sicher Sinn zu unterstellen, dass das, was übrig blieb, den Hunden zugutekam.

Tischresten

Die Essensreste der Menschen spielten also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine große Rolle für die Hunde. Der Biologe Ray Coppinger hält diese Nahrungsreste sogar für den maßgeblichen Faktor der Domestizierung. Er meint, Hunde haben einfach die ökologische Nische des Müllsammlers in menschlicher Nähe besetzt. Was nicht so unlogisch scheint, da sie das in vielen Ländern der Erde heute immer noch tun.
Immerhin lebt der allergrößte Teil der Haushunde weltweit frei und ihre Hauptnahrungsquelle sind die Abfälle der Menschen. Coppinger geht sogar so weit und behauptet, die einzige wirklich effektive Lösung, der Vielzahl streunender Hunde weltweit Herr zu werden, wäre, den Müll zu reduzieren, den wir produzieren.
Der westliche Wohlstandsmüll

Angesichts der Tatsache, dass unsere Essensreste für den Hund von Anfang an eine große Rolle gespielt haben und weltweit vielen Hunden das Überleben sichern, muss man sich doch eine Frage stellen: Was ist an unseren westlichen (Wohlstands)Essensresten denn bitteschön so verkehrt, dass davor gewarnt wird, unsere Hunde damit zu füttern?
Kann es vielleicht sein, dass der Fehler im System nicht die Tatsache ist, dass wir Reste verfüttern, sondern von welchen Mahlzeiten diese Reste stammen?
Kann es vielleicht sein, dass nicht die Reste als solche für den Hund ungesund sind, sondern dass ein Großteil der Menschen (hier bei uns) sich schlicht und ergreifend nicht mehr ordentlich ernährt?
Let´s have a closer look!

Menschen benötigen:

    Proteine
    Fette
    Kohlenhydrate
    Mineralstoffe
    Vitamine

Hunde benötigen:

    Proteine
    Fette
    Kohlenhydrate
    Mineralstoffe
    Vitamine

Die genauen Zahlen mögen hier etwas variieren. Aber diese Zahlen – also die Mengen der benötigten Nährstoffe – kennen wir nicht einmal seit 100 Jahren. Sowohl Mensch als auch Hund haben es geschafft, tausende Jahre zu überleben, ohne diese Zahlen zu kennen. Und das gar nicht mal schlecht. Insofern kann sich wohl kaum jemand jetzt darauf berufen, diese Reste wären schlecht, weil Hunde andere Nährstoffbedürfnisse haben.
Unser Essen macht uns krank
Schaut man sich die Ernährung von vielen Menschen heute genauer an, muss man sich eher die Frage stellen, wie sie mit solchen Nahrungsmitteln denn bitteschön den eigenen Nährstoffbedarf decken wollen, geschweige denn den des Hundes, der die Reste bekommt.
Nicht nur viele Hunde sind zu dick. Mittlerweile sind etwa 60% der Männer übergewichtig und etwa 40% der Frauen. Das mag zum Teil an einem Bewegungsmangel liegen, der größte Teil ist jedoch definitiv auf die falsche Ernährung zurückzuführen. Wohlstandserkrankungen nehmen immer mehr zu, was an der Lebensweise und zum größten Teil an der Ernährung liegt.
Oft heißt es, die Speisen wären zu stark gewürzt für Hunde. Das kann sein, sie sind aber ebenso häufig zu stark gewürzt für die Menschen. Der zu hohe Salzkonsum ist z.B. ein mittlerweile großes Problem. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufig eine Folge von erhöhtem Salzkonsum. Salz ist vor allem in Fertigprodukten massenhaft enthalten, das meiste Salz wird durch verarbeitete Lebensmittel aufgenommen.
Sind Essensreste nun gut oder schlecht für Hunde?
Kürzlich wurde in England herausgefunden, dass viele Hunderassen einen Rückgang der Lebenserwartung zu verzeichnen haben. Nun muss man sich überlegen – dieser Rückgang passiert trotz medizinischem Fortschritt, trotz ausgesprochen guter medizinischer Versorgung, trotz Spezialfutter für Hunde, trotz immer komfortabler und bequemer werdender Lebensweise. Noch vor rund 100 Jahren, als unsere Hunde ganz selbstverständlich mit unseren Nahrungsresten versorgt wurden, gab es all diesen Komfort nicht. Trotzdem sieht es so aus, als hätten die Hunde nichts gewonnen, sondern verloren.
Es leuchtet nicht ein, warum es partout schlecht sein soll, einen Hund mit gesunden, frischen Nahrungsmitteln zu versorgen. Dass diese vorher auf dem Menschenteller lagen, tut ihrem Wert ganz sicher keinen Abbruch.
Dass sie eventuell Gewürze enthalten, in der Regel ebenfalls nicht. Was die meisten im Hinblick auf die Gewürze vergessen haben, ist die Tatsache, dass Gewürze nicht alleine verwendet werden, um den Geschmack zu verändern, sondern ursprünglich vor allem, um die Mahlzeiten bekömmlich zu machen.
Wenn man allerdings seinen Teller mit Fastfood und Fertiggerichten voll lädt, darf man diese Mahlzeiten getrost für sich selber behalten. Es reicht ja schließlich, wenn man mit einer solchen Ernährung die eigene Gesundheit ruiniert.

[Tischresten]

    Udo Gansloßer, Biologe mit Schwerpunkt Säugetierverhalten und Privatdozent für Zoologie an der Universität Greifswald hat sich einmal in einem Seminar (Hundeernährung in der Verhaltenstherapie) geäußert: „Eine sich gut ernährende Durchschnittsfamilie (4-köpfig) kann von ihren Essensresten locker einen mittelgroßen Hund ernähren!“.


Es macht durchaus Sinn, Hunde mit den Essensresten zu versorgen. Diese Vorgehensweise ist ökologisch sinnvoll, gut für die Umwelt, spart Geld und kann sogar der menschlichen Gesundheit zugutekommen. Dann nämlich, wenn man im Hinblick auf die hündische Gesundheit mehr auf gesunde Nahrungsmittel bedacht ist. Selbstredend ist, dass man die ausgewogene Versorgung sowohl von Hund als auch Mensch im Blick haben sollte.
    Das Wissen, dass gute Nahrungsmittel für die Gesundheit unabdingbar sind, ist schon sehr alt. Hippokrates, der etwa 400 v. Chr. lebte und aktuell tot ist, hat sich bekanntlich geäußert: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“ Damit hat er selbstverständlich nicht nur die Menschen gemeint.

Quellen:
Spektrum der Wissenschaft – Der kreative Mensch*
Genetische Anpassung an Getreide
Kennel Club dokumentiert sinkende Lebenserwartung der Rassehund